Satellitentechnologie für Stadtentwicklung

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Das Projekt RAVEN im Fokus

Das von der Österreichischen Forschungsförderungsgesellschaft (FFG) geförderte Projekt „RAVEN – Radarsatellitenbasierte Veränderungserkennung bei Bauwerken“ evaluiert RADAR-Daten von Erdbeobachtungssatelliten zur präzisen Überwachung städtischer Infrastruktur. Auswertungen dieser Daten könnten die Stadtvermessung der Stadt Wien (MA 41) in Zukunft bei der Überwachung von Großbauprojekten unterstützen und Informationen über Gebäudebewegungen in größeren Gebieten liefern.

Die Stadt genau im Blick: Die Wiener Stadtvermessung

Die Stadtvermessung Wien (MA 41) bearbeitet Themen mit Raum- und Geo-Bezug und unterstützt die Stadt Wien bei ihren vielfältigen Fragestellungen mit innovativen Vermessungsmethoden, Geoanalysen, Geodaten und Geoinformation. Eine wichtige Aufgabe ist die gezielte Durchführung von Setzungs- und Kontrollmessungen bei städtischen Bauprojekten. Regelmäßige manuelle Messungen sowie automatische Mess-Einrichtungen führen zu Mess-Serien, aus denen Bauwerks-Bewegungen aufgedeckt werden können. Dadurch können Gefährdungen rechtzeitig erkannt werden.

So werden zum Beispiel beim U-Bahn-Bau in Wien entlang der neuen Linie U2xU5 viele Gebäude im Bereich der neuen Trassen laufend überprüft, indem signifikante Bereiche der Gebäude mit Messpunkten beobachtet werden. In Summe wird es im Zeitraum des Baubetriebes entlang dem Linienkreuz U2xU5 circa 9.000 Messpunkte geben, die in einer Zeitserie die Bewegungen des beobachteten Bereiches sehr genau dokumentieren und von Bau-Expert*innen zur Einschätzung von möglichen Gefahren herangezogen werden. Dadurch wird ein großes Maß an Sicherheit für alle Bewohner*innen erreicht.

Das Copernicus-Programm der EU und weitere Missionen

Zukünftig könnten Daten von Erdbeobachtungssatelliten – im speziellen RADAR-Satelliten – die punktuellen Messungen der Stadtvermessung auf der Erde unterstützen. Eine Möglichkeit sind Daten des Satelliten Sentinel-1 aus dem europäischen Weltraumprogramm Copernicus, der innerhalb von 12 Tagen jeden Punkt auf der Erdoberfläche abdeckt. Sentinel-1 erfasst unabhängig von Sonneneinstrahlung und Wolkenbedeckung lückenlos Daten über die Land- und Wasseroberflächen der Erde. Das funktioniert, weil der Satellit im Gegensatz zu optischen Sensoren (die mit Sonnenlicht auskommen müssen) mit aktiv ausgesendeten Signalen arbeitet, die die Erdoberfläche abtasten. Der 2,3 Tonnen schwere Satellit umrundet die Erde in einer Höhe von 693 Kilometern und tastet die Erdoberfläche streifenweise ab. Der Sensor kann ein Gebiet von bis zu 400 Kilometern Breite auf einmal überblicken. Ein Pixel des Sensors von Sentinel-1 deckt auf der Erdoberfläche circa eine Fläche von 5×20 Metern ab. (Quelle: ESA)

Neben den frei verfügbaren Daten der ESA gibt es weitere kostenpflichtige Missionen, die noch höher aufgelöste Daten liefern können. Dazu gehört zum Beispiel der deutsche Erdbeobachtungssatellit TerraSAR-X. TerraSAR-X fliegt in einem niedrigeren Orbit in 514 Kilometern Höhe, kann innerhalb von 11 Tagen jeden Punkt auf der Erdoberfläche erfassen und deckt mit einem Pixel des Sensors circa 3×3 Meter auf der Erdoberfläche ab.

Auswertungen und angestrebte Erkenntnisse

Auf Basis von Daten-Zeitreihen solcher RADAR-Satelliten können mittels Interferometrie Bewegungsmuster von klar identifizierbaren Reflektoren der Erdoberfläche identifiziert werden. Im Fall des Projekts RAVEN sind die Reflektoren Gebäudeteile, die vom Satelliten mit RADAR-Signalen abgetastet werden. Aus den Bewegungsmustern können dann Gebäudebewegungen interpretiert werden. Die Hypothese des Projektes RAVEN ist folgende: Basierend auf den Zeitreihen des Satelliten und den daraus abgeleiteten Bewegungsmustern können Bewegungen von Gebäuden im Subzentimeter-Bereich aufgedeckt werden. Da der Satellit die Erdoberfläche flächig abtastet, stehen flächendeckende Informationen über Bewegungen zur Verfügung, die am Boden erfasste Setzungs- und Kontrollmessungen ergänzen (größere Zeitserien, größerer Abdeckungsbereich, Hinweis-System).

Wissenschaftlich fundierte Werkzeuge und High-Tech-Vermessung

Die Satellitendaten werden von der Salzburger Firma Augmenterra, die spezialisierte Methoden und Expertise im Bereich der Radar-Interferometrie einbringt, mit einem speziellen Algorithmus verarbeitet. Als Endprodukt liegen für Baukörper Zeitserien über Bewegungen vor, die aus den Satellitendaten abgeleitet wurden.

Parallel zu den Aktivitäten im Satelliten-Bereich werden durch die Stadtvermessung seit Projektbeginn im Mai 2024 hochpräzise geodätische Messungen entlang der U2xU5-Baustellen durchgeführt, um Referenzdaten der Gebäudebewegungen als verlässliche Vergleichsquelle zu sammeln. Die Messungen erfolgen mittels Präzisionsnivellement im Submillimeter-Bereich.

Auf diese Weise werden vertikale Bewegungen bei Bauwerken im Umkreis der U5-Bautätigkeiten auf allen Ebenen – aus dem All und vor Ort – erfasst.

Die Ergebnisse der Satelliten-Auswertungen werden anschließend mit den präzisen Messungen der Stadtvermessung abgeglichen. Wissenschaftler*innen des Fachbereichs Geoinformatik der Paris Lodron Universität Salzburg evaluieren die Qualität der berechneten Satelliten-Auswertungen mit den Referenzdaten, um eine zuverlässige Aussage über die Eignung der Daten für städtische Aufgaben zu erhalten.

Innovative Partnerschaften für präzise Überwachung

Koordiniert wird das innovative Projekt vom Vienna Geospace Hub, der von der UIV Urban Innovation Vienna GmbH betrieben wird. Die UIV ist die Klima- und Innovationsagentur der Stadt Wien. Das Unternehmen unterstützt Städte im Generellen und die Stadt Wien im Speziellen bei der Beantwortung der drängendsten urbanen Zukunftsfragen und begleitet Metropolen auf ihrem Weg zur klimagerechten und innovativen Stadt. Als Schnittstelle zwischen Technologie und Stadtverwaltung entwickelt das ebenfalls von der FFG geförderte Innovationslabor der Stadt Wien Anwendungen von Satelliten- und Geodaten für die städtische Verwaltung und trägt maßgeblich dazu bei, Wien an der Spitze urbaner Innovationen zu positionieren.

Mehr als nur Daten: Nachhaltigkeit und Anpassungsfähigkeit

Das Projekt RAVEN ist ein Vorzeigeprojekt für die Bemühungen Wiens, mit Hilfe modernster Technologien eine sichere und widerstandsfähige urbane Umgebung zu schaffen. Es zeigt, wie durch die Kombination verschiedener technologischer Ansätze eine nachhaltige und anpassungsfähige Stadt(planung) erreicht werden kann. Durch die kontinuierliche Weiterentwicklung bleibt Wien an der Spitze der urbanen Innovation und setzt neue Standards für den Einsatz von Satellitendaten.


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