Interview-Serie: BRISE Vienna – Teil 1
Dr.-Ing. Alanus von Radecki begleitet das innovative Forschungsprojekt BRISE Vienna als Experte der UIA, einer Initiative der Europäischen Union, die urbanen Regionen in Europa Ressourcen für die nachhaltige Entwicklung zur Verfügung stellt. Im persönlichen Interview erklärt der Spezialist für Smart Cities, Sustainable Technologies und Urban Governance was BRISE für ihn so spannend macht.
Welches Potenzial sehen Sie im Forschungs- und Entwicklungsprojekt BRISE Vienna?
Das Tolle an BRISE Vienna liegt darin, einen Aspekt, der im Alltag der Verwaltung immer wieder vorkommt, komplett zu digitalisieren. Viele Städte reden über Digitalisierung – BRISE hat sich vorgenommen, das Maximum im Rahmen der digitalen Transformation umzusetzen. BRISE zeigt auf, wie es aussieht, wenn der Gesamtprozess digitalisiert wird und nicht nur Teilbereiche. Das geht weit darüber hinaus, anstelle von Papier E-Mails zu verschicken.
Das ist das Spannende, das macht BRISE aus. Darüber hinaus zeigt BRISE, was Digitalisierung in Europa bedeutet. Es geht darum, einen europäischen Weg der Digitalisierung zu gehen, auf dem wir uns im Dialog mit verschiedenen wesentlichen Fragestellungen auseinandersetzen. Dies sind Fragen wie „Bis wohin lassen wir zu, dass künstliche Intelligenz uns Entscheidungen abnimmt?“ und „Wo muss der Mensch zwingend eine Rolle spielen?“. Solche gesellschaftlichen und teilweise auch ethischen und moralischen Abwägungen kann man in diesem Projekt sehr praktisch erkennen, adressieren und bearbeiten. Diese beiden Ebenen – einmal die anwendungsbezogene Relevanz, die das Thema für die Verwaltungspraxis hat, auch als Beispiel für andere Städte, und die übergeordnete Relevanz, die das Projekt für gesellschaftliche Fragen hat – machen BRISE zu einem wirklich herausragenden Projekt!
Sie haben als UIA-Experte bereits ähnliche Projekte gesehen und begleitet. Was zeichnet BRISE im internationalen Vergleich aus?
BRISE ist Teil eines größeren Transformationsprozesses, in dem ein ganzer Verwaltungsprozess angefasst und verändert wird. Das habe ich auf diese Art tatsächlich noch nicht gesehen in Europa. Und das macht das Projekt auch so herausstechend, weil im Vordergrund nicht das singuläre Projektergebnis von BRISE steht, sondern eine Prozessinnovation als eigentliches Ziel. Die Stadt wird dadurch effizienter und kann mit gleichbleibenden Ressourcen mehr und höhere Qualität leisten, kann also mehr Bauanträge bearbeiten. Und das dient als Vorbild für andere Prozesse in Wien und andere Städte in Europa.
Sie konnten in der Vergangenheit auch schon einiges an Erfahrung mit nachhaltigen Entwicklungsprojekten in Wien gewinnen, zum Beispiel in der Seestadt Aspern. Wie smart ist Ihrer Ansicht nach Wien bereits jetzt und wo steht die Stadt auf ihrem Weg zur „Digitalisierungshauptstadt Europas“?
Ich denke, Wien ist weit vorne, wenn es um das Thema Smart City und Digitalisierung geht. Wien steht – wie viele andere Städte – vor der Herausforderung, dass es eine große Stadt ist und vor allem auch eine große Verwaltung mit vielen Magistratsdirektionen hat. So etwas bringt immer die Herausforderung, dass Pilotprojekte entstehen, die im Kleinen zeigen, was möglich ist, dann aber der nächste Schritt in den Sollprozess beziehungsweise in diese Transformation nicht stattfindet.
Genau diesen Schritt geht Wien mit BRISE. Das zeichnet Wien im internationalen Vergleich aus. Mir fällt Vergleichbares nur in Barcelona ein. Barcelona hat eine ähnlich ernst gemeinte Digitalisierungsstrategie, die stark vom Bürger ausgeht und das auch übersetzt in Verwaltungsprozesse. Es gibt auch noch Städte wie Stockholm beispielweise, die vielleicht nicht so stark von der smarten Seite, sondern eher stärker von der Nachhaltigkeits- und Klimaschutzseite kommen, und das wirklich ernst gemeint in eine Verwaltungstransformation überführen. Das sind die Vorreiter. Danach kommt erst mal nichts…
Lesen Sie im 2. Teil des Interviews über die Zukunft Wiens im Kontext von Smart City.